Open Networked Learners – Pionier:inne auf den Spuren neuer Bildungswelten

Die Digitalisierung stellt die Bildungswelt auf den Kopf. In postmodernen Zeiten gefangen im Dilemma zwischen dem Wunsch nach Selbstverwirklichung und der Suche nach Sicherheit durch Zugehörigkeit stellt sich die Frage, wie wir zukünftig und vorallem auch zukunftsfähig Lernen können, wollen und dürfen

Meine zentrale Erkenntnis aus den letzten Wochen als Teil der ONL (open networked learning) Gemeinschaft: Es sind die unternehmerisch Lehrenden, die es wagen sich auf das Abenteuer einzulassen sich selbst als lebenslang Lernende zu verstehen und als Pioniere auf den Spuren neuer Bildungswelten zu wandern.

Schöne neue (Lern)Welt –  Aufbruch in ein Abenteuer in unendlichen Weiten

„Der (Lern)Weltraum, unendliche Weiten.
Wir schreiben das Jahr 2020.
Dies sind die Abenteuer von einer die auszog,
das Lernen (neu) zu lernen.
Sie ist unterwegs,
um neue Lernformen zu erkunden.
Weit entfernt von dem was Bildung einmal ausmachte,
dringt sie in neue Lehr-Lern-Welten vor,
die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

Es braucht gar nicht viel, um aus dem Vorspann der Science Fiction Serie „Stark Trek“ eine, der Realität sehr nahe kommende Beschreibung der derzeitigen Lage in den Lern- und Lehrwelt(en) zu machen. Es sind in der Tat unendliche Weiten, die sich hier auftun. Weiten, die insbesondere durch aktuelle Moden und Mythen der Digitalisierung befeuert, sich in schwarze Löcher zu verwandeln scheinen. Sie entfachen eine unglaubliche Sogkraft im Bildungsuniversum, die mehr und mehr alles und jede(n) in Frage zu stellen scheinen.

Zum Zeitpunkt der Entstehung des Artikels liefert google in 0,55 Sekunden 21,8 Millionen Treffer zum Thema „online education“. Unter den aufgeführten Links findet sich eine erstaunliche Vielfalt an Informationen – von wissenschaftlichen Diskursen in unterschiedlichster Fachdisziplinen, über diverse Praxisstudien zum Status Quo und potenziellen Zukunftsszenarien bis hin zu konkreten Beratungs- und Weiterbildungsangeboten für Lehrende. Einzig einender Aspekt scheint teils nur das dank SEO („search engine optimization“) gut platzierte Schlagwort sowie der Grundtenor „es wird auf jeden Fall anders“ zu sein. Inhaltlich finden sich mit Blick auf zukünftige Lehr-Lern-Welten apokalyptische Visionen ebenso wie utopische Hoffnungszuschreibungen, teils in ein- und demselben Beitrag.

Fraglich ist, wie viel überhaupt darüber bekannt ist, was die „alte Lernwelt“ ausmacht, die sich nun wandle, ob Mensch wolle oder nicht. Ein Aspekt, der mehr und mehr in weite Ferne des Interesses von Wissenschaft wie Bildungsinstitutionen und Politik zu rücken scheint. Wer will denn auch noch die Box verstehen, wenn man doch eh immer zu nur noch aufgefordert wird (sich) eben genau aus jener hinaus zu denken?

Wagt man zumindest einmal zum Thema „Zukunft des Lernens“ auch einen Blick nicht nur aus der sondern eben gerade auch in die Box – sprich auf die Ursprünge des Konzeptes – ist die erste, möglicherweise für manche(n), überraschende Erkenntnis, dass es weniger darum geht was wie, sondern warum wie gelernt wird.

Unser Bildungsstand ist so hoch wie nie und dennoch scheinen wir immer weniger zu wissen. Hinzukommt, dass tatsächlich einiges von dem, was die Serie „Star Trek“ noch als Science Fiction zeigt, heutzutage Science Fact ist und unser Lebens- und damit auch lebenslangen Lernalltag maßgeblich prägt. Wir (er-)schaffen eine Flut an Informationen, die sich etwa alle zwei Jahre verdoppelt. Die Anzahl an „smarten“ Technologien, mit denen wir diese Informationen teilen und über die wir uns vernetzen steigt exponentiell und lässt uns mit der Frage zurück, wie sehr wir selbst so eigentlich verdummen. Allein die qualitative und quantitative Vielfalt der vernetzten Geräte im Internet der Dinge (IoT) hat sich in den letzten Jahren nahezu vervierfacht – waren es 2016 noch ca. 6,3 Millionen Geräte prognostiziert die statistische Plattform Statista für 2020 einen Anstieg auf 20,4 Millionen.

Dieser Anstieg hat nicht nur Folgen für die Art und Weise, wie Lernende untereinander und mit Lehrenden kommunizieren, sondern bewirkt zudem, dass sich didaktische Konzepte stark verändern (müssen). Eine Veränderung des „was“ gelernt wird, hat jedoch auch zur Folgen, dass sich das „wie“ stark wandelt. In kürzester Zeit sind in den letzten Jahren Ansätze wie Pilze aus dem Boden geschossen, die neue Bedarfe bezüglich digitaler Lehr-Lern-Formate sowie hohe Flexibilität in Hinblick auf Lernzeiten und -orte mit sich bringen. Wir entfernen uns immer mehr von dem, was Lernen einmal ausmachte – und damit bewegen wir uns auch immer weiter weg von dem, was unter Bildung heutzutage noch verstanden wird/ werden kann. Es ist ein Abenteuer auf das sich Lernende wie Lehrende einlassen müssen.

Ver-rückte Rollen und Routinen postmoderner Bildungsziehungen

Die Auseinandersetzung mit dem „warum“ unseres Tuns nicht nur in privaten sozialen Gefügen, sondern ebenso, wenn nicht sogar umso mehr, in sozio-ökonomischen Bildungszusammenhängen mag in postmodernen Zeiten wenn nicht als Farce so doch so manchem Menschen als Sisyphusaufgabe erscheinen. Je nach Perspektive und persönlichem Kontext bietet uns die heutige „Multioptionsgesellschaft“ individuelle Gestaltungsmöglichkeiten respektive lässt uns im Abschied von dem „monogamen Lernen“ in Orientierungslosigkeiten allein. Es manifestiert sich zusehends vielmehr eine Pluralität in der Dekonstruktion von Bildungsprofilen. In der Vergangenheit noch Sinn und Zugehörigkeit erzeugende und damit Halt und Orientierung bietenden Zuschreibungen im Zusammenhang des Lernens und Lehrens verlieren an Bedeutung, was zwangsläufig zu Unsicherheit und (Selbst-)Zweifeln führt. Das was nun mehr nur noch als „wahr“ im Bildungskontext erscheint, ist mehr und mehr Inszenierungen von Wahrheit ausgesetzt, die Sein und Schein immer enger zusammenrücken und damit Rollen und Routinen schwerer unterscheidbar indes vielmehr „ver-rückt“ erscheinen lassen.

Hinzukommt, dass die Frage mit welchem Ziel und auf welchem Weg in das Abenteuer der unendlichen Weiten eines zukünftigen und zukunftsfähigen Bildungsuniversum aufgebrochen wird, wird nicht mehr nur von den Bildungsinstitutionen allein sondern immer stärker von den (zukünftigen) Lehrenden sowie Lernenden aufgeworfen. Für Bildungsinstitutionen und damit auch für die Lehrenden wird es immer zentraler, die Erwartungen der Lernenden sowie Lehrenden zu kennen, um deren affektives, normatives und kalkulatives Commitment anregen und steigern zu können.

Das Bildungsuniversum ist in Bewegung und nimmt immer mehr Fahrt auf: Es geht auf in neue Welten! Und das ist auch gut so – wer sich verändern will, muss halt vor allem eins: sich bewegen. Mag es Zufall sein oder nicht, das Raumschiff das in der Serie „Star Trek“ in neue Welten aufbricht heißt „Enterprise“ und es ist der Ruf nach mehr Entrepreneurship, der uns aus unserer aktuellen misslichen Lage im Bildungsuniversum befreien soll. Wenn nun Lehrende als Lernende im gegenseitigen Fragen nach dem „warum“ von Bildung die Vorstellungen von (neuen) Lernwelten dekonstruieren, ist dann nicht anzunehmen, dass sie auf dieser Reise eben jene Welten nicht nur hinterfragen, sondern ganz im Sinne des unternehmerischen Denken und Handelns (Stichwort: „Entrepreneurial Intention“) sich diese einfach selber gestalten?  Wie viel Pippi Langstrumpf steckt in Lehrenden und Lernenden: Sind sie willens sich ihre Bildungswelt so zu machen, wie sie Ihnen gefällt?

Dies bedingt das konkrete, wiederholte Fragen danach, warum jemand bereit ist auch als lehrende Person stetig (weiter) zu lernen. In meinen Augen gilt es Lehrende unternehmerisch zu sensibilisieren, motivieren und qualifizieren, gleich Pionieren neue Pfade im Dschungel neuer Lernwelten erkunden sowie diese unternehmerisch erproben zu lassen. Die stetige Suche von Lehrenden die sich selbst als lebenslang Lernende verstehen nach dem  „warum“ von Bildung kann damit bei entsprechende Wertschätzung und Würdigung zu einem strategischen Vorteil werden für ebene jene Bildungsinstitutionen, die eben genau dies zulassen.

#ONL2020 und insbesondere der PBL06 danke für dieses gemeinsame Abenteuer!